Wie reagieren Verlage und Sender, wenn sie auf Fehler aufmerksam (gemacht) werden? Einfach ignorieren? Oder kleine, schwer zu findende "Korrekturspalten"? Oder nachträgliche Veränderung der Texte/Beiträge ohne Kenntlichmachung ? So unterschiedlich die Methoden auch sind, nur sehr selten werden sie dem gerecht, was immer wieder gefordert wird: Transparenz. Auch bei Fehlern.
Und wie ist der Umgang mit Kritik? Keine Reaktion? Oder vielleicht doch ein eigener Blog für die Kommunikation mit den Kritikern?
Und was erleben Medienjournalisten/innen, wenn sie für ihre Berichte Anfragen an Sender und Verlage stellen?
Werden sie vertröstet, immer wieder an andere Gesprächspartner verwiesen oder gibt es überhaupt keine Auskunft? Und was passiert, wenn kritische Berichte erscheinen? Beschweren sich die Kritisierten? Wie "sensibel" und/oder nachtragend sind sie?
Georg Mascolo hatte unter dem Titel „Frei, unabhängig, kritisch“ (SZ v. 17.11. 2018) den gegenwärtigen Journalismus schonungslos kritisiert und insbesondere beklagt, wie mangelhaft unser Berufsstand mit Fehlern und Kritik umgehe. In einer Zeit, die mehr denn je Qualitätsmedien brauche, um gegen die Flut der Falschmeldungen und Fake News anzukommen, konstatierte er eine Dickhäutigkeit unseres Berufsstandes gegenüber berechtigter Kritik. Seine Botschaft: Wir sollten fundierte Kritik ernst nehmen, uns mit unseren Kritikern auseinandersetzen. „Nur wenn wir mit unseren Fehlern transparent umgehen, erhalten wir uns die Freiheit und die Autorität, andere auf ihre Fehler hinzuweisen.“ Mascolos Argumente wirkten nicht zuletzt auch deshalb sehr überzeugend, weil er sich auch selbstkritisch mit seinen eigenen Fehlern auseinandersetzte.
Einen Monat später wurden Fehler von bis dahin ungeahntem Ausmaß beim SPIEGEL öffentlich, dem Magazin, das Mascolo von 2008 bis 2013 als Chefredakteur geleitet hatte. Das Nachrichtenmagazin musste öffentlich bekennen, dass sein vielfach preisgekrönter Autor Claas Relotius seit 2014 Reportagen teilweise oder in Gänze erfunden und der SPIEGEL sie veröffentlicht hatte. Obwohl es Hinweise auf Unstimmigkeiten z.B. von Lesern gegeben und ein Kollege auf Fälschungen von Relotius mehrfach hingewiesen hatte, waren die Verantwortlichen in der Redaktion diesen deutlichen Warnzeichen nicht nachgegangen. Sie wiesen sogar Beweise für die Fälschungen zurück und veröffentlichten noch eine Reportage von Relotius, bis das Lügengebäude endgültig zusammenkrachte.
Das Magazin versprach totale Transparenz bei der Aufklärung, machte sich - so der Chefredakteur Klusmann - "nackig". Und hielt Wort: Im Abschlussbericht der Aufklärungskommission gibt es Klartext: „Die Kritik- und Fehlerkultur im Haus ist nicht sehr ausgeprägt. …. Zwei Kontrollinstanzen sind für eine gute Fehlerkultur entscheidend… Die eine sind die Kollegen…, die andere der Leser“. Die Berichterstatter schlagen deshalb neben anderen Verbesserungen der Fehlerkultur die Einrichtung einer Ombudsstelle vor, an die sich Kollegen und auch Leser als neutrale Instanz wenden können, wenn sie auf dem üblichen Weg nicht weiterkommen.
Ein Modell auch für all die anderen Verlage und Sender?
Ein Panel mit Medienjournalisten/innen und Kollegen/innen, die für journalistische Inhalte verantwortlich sind, über ein Thema, das uns alle betrifft. Gerade jetzt .........
Links zum Thema:
Fall Claas Relotius: Abschlussbericht der Aufklärungskommission - (Spiegel online)
Warum der Relotius-Bericht für den Spiegel so verheerend ist (Übermedien)
Abschluss der Relotius-Affäre: Schwächen im System (ZAPP/NDR)
Relotius-Abschlussbericht: "Ein verheerendes Bild" (DWDL)
Journalismus - Frei, unabhängig, kritisch (Süddeutsche Zeitung)
Journalismus - Mehr Selbstreflexion tut not (Der Tagesspiegel)
Medien müssen an sich die Maßstäbe anlegen, die sie an alle anderen anlegen (Übermedien)
GLAUBWÜRDIGKEIT DER MEDIEN - "Guter Journalismus braucht Selbstbewusstsein" (Horizont)
Wie kommt ein falsches Baby auf die Titelseite? (FAZ)
Die falsche Geschichte vom Hilfsgüter-Konvoi, den Maduro anzünden ließ (Übermedien)
Ein Blick in den Spiegel - Über den Umgang der Medien mit ihren Fehlern (Die Zeit)
Sorry seems to be the hardest wordJournalisten machen Fehler: Wie können sie besser damit umgehen? (DJV)
"Was Medienjournalisten machen, würde uns niemals jemand durchgehen lassen" (Übermedien)
Glaubwürdigkeit beschädigt - Ein Plädoyer für den konstruktiven Umgang mit begründeter Kritik im Rundfunk (Menschen machen Medien)